Wir kennen Schokolade, Kaffee, Tee,
Schnittblumen und eine ganze Palette weiterer Produkte mit
Fairtrade-Siegel. So gelabelte Produkte haben es aus dem Eine-Welt-
über den Bioladen in die konventionellen Discounter geschafft. Ihr
Marktanteil ist immer noch sehr gering. In der Schweiz stammt rund
die Hälfte der verkauften Bananen aus Fairtrade-zertifiziertem
Anbau, in Deutschland liegt der Marktanteil bei weniger als einem
Prozent. Das stärkste Fairtrade-Produkt in Deutschland sind derzeit
Rosen mit einem Marktanteil von 4 Prozent. Trotzdem, der Umsatz von
Fairtrade-Produkten wächst.
Neben Kaffee, Kakao und Baumwolle fehlt
da aber doch ein Gewächs, welches in unseren Klimaten nicht
produziert aber in hohen Maßen konsumiert wird. Wieso gibt es keinen
Fairtrade-Tabak? Wieso gibt es für die „gewissenhaften“,
sozio-ökologisch korrekten LOHAS-Nikottinsüchtigen keine wahre
Alternative zu Marlboro, Lucky Strike, Nil et cetera? Oder, anders
gefragt, warum geben sie sich zufrieden mit der „Öko“-Alternative
unbehandelten Tabaks à la American Spirit? Wieso schreien sie nicht
nach ökologischen und sozialen Standards für ihr tägliches
Genussmittel?
RaucherInnen sind ja ohnehin schon von
permanentem schlechtem Gewissen geplagt, wissen sie doch, dass sie
mit der Qualmerei sich und ihren Mitmenschen gesundheitlich schaden.
Sie wissen auch, dass es der Atmosphäre nicht an CO2 und
Luftschadstoffen mangelt. Sich dann auch noch der Bürde der sozialen
und ökologischen Konsequenzen seines inhalativen Konsums anzunehmen,
ist da natürlich eine große und unangenehme Herausforderung.
Der Siegeszug des Tabaks beginnt im
Jahre 1492 mit der Entdeckung der neuen Welt als Expansionsfeld für
europäische Interessen. Kolumbus berichtete erstmals vom
Tabakrauchen, und schon bald sollte das indianische Genussmittel sich
steigender Beliebtheit auf dem alten Kontinent erfreuen.
Etwa 120 Jahre später fusste ein
großer Teil der amerikanischen Kolonialwirtschaft auf dem lukrativen
Tabakgeschäft. Im Jahre 1617 wurden noch 9 t Tabak aus Virginia nach
England verschifft, bereits 10 Jahre später waren es schon über 500
t. In den englischen Kolonien Amerikas baute bald der Großteil der
Farmer Tabak an.
Verglichen mit den meisten
Nahrungsmittelpflanzen entzieht Tabak dem Boden allerdings etwa
zehnmal so viel Stickstoff und dreißigmal soviel Phosphor. Das damit
einhergehende Problem, dass jede neu erschlossene Fläche bei
intensiver Bewirtschaftung nur 3-4 gewinnträchtige Ernten erlaubte,
trieb in Amerika nun die Landeinnahme und gewissermaßen die
Ausdehnung gen Westen an. Boden war billig. Die Arbeitskraft kam aus
der Sklavenwirtschaft. Somit war für die Farmer nur Kapital ein
limitierender Faktor. Großplantagen etablierten sich bei
gleichzeitiger Verdrängung von Kleinbauern. Die Zahl der Bauern
schrumpfte, die Größe der privaten Besitztümer stieg. Ermüdete
Böden blieben zurück - eine Einladung an Erosionserscheinungen.
Heute sind die Flächen in den USA
längst bis zur Westküste in Privateigentümer aufgeteilt; das
Sklavengeschäft ist weder wirtschaftlich noch ethisch tragbar. Außer
an den Anbaugebieten hat sich bis dato dann aber doch nicht so viel
in der Tabakwirtschaft geändert. Phillip Morris, British American
Tobacco, Reemtsma (übrigens viertgrößter Anbieter auf dem
internationalen Tabakmarkt, Firmensitz: Hamburg) wirtschaften heute
intensiv in Asien, Südamerika und Afrika; dreiviertel der weltweiten
Produktion geschieht hier. Der enorme Produktionsschub in diesen
Ländern ist das Ergebnis der Tabakanbauförderung durch die
Zigarettenindustrie.
Tabakanbau verdrängt in einigen
afrikanischen Ländern wie zum Beispiel Malawi oder Simbabwe
zunehmend den Nahrungsmittelanbau, so dass die Bevölkerung dort
verstärkt auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist.
Selbstverständlich ermüdet sich
der Boden auch hier. Es ist kurzfristig wirtschaftlicher neue Flächen
urbar zu machen, als in die Bodenqualität bestehender
landwirtschaftlicher Flächen zu investieren. Beispielsweise hat sich
Tansanias Waldbestand in den letzten 50 Jahren halbiert. Folge auch
der Rodung für neue Tabak-Anbauflächen und der Suche nach
Feuerholz, mit dem die braunen Blätter getrocknet werden. Das
Hartholz aus den Miombowäldern ist wegen seiner hohen
Rauchentwicklung dafür besonders geeignet. Um ein Kilogramm Tabak zu
trocken, werden rund 160 kg Holz verbrannt. Pi mal Daumen kann man
sagen, dass ein durchschnittlicher deutscher Raucher damit alle drei
Monate einen Tropenbaum vernichtet.
Fortgesetzte Landnahme für den
Tabakanbau in anfälligen Ökozonen und das Schlagen vieler Bäume
für das Trocknen des Tabakblattes bewirken zusammen eine
Umweltveränderung mit globalen Auswirkungen.
Die meisten RaucherInnen ahnen nicht, wie sie Arm in Arm mit der
Tabakindustrie die Natur der Subtropen zerstören. Jedes Jahr fallen
dort etwa 1,2 Millionen Hektar Waldland dem Tabakanbau zum Opfer, hat
die Weltgesundheitsorganisation errechnet.
Für die Tabakindustrie ist das ein lukratives Geschäft. Um ihre
Gewinne zu maximieren, im vorletzten Jahr (2010) betrugen die Gewinne
der vier größten Konzerne 12 Milliarden US-Dollar, wirtschaften sie
genauso wenig nachhaltig wie vor 400 Jahren, und zwar dort, wo Boden
und Arbeitskraft billig sind. Landschaften werden monokultiviert,
wichtige Biotope zerstört, Böden degradiert und erodiert und
Menschen ausgenutzt. Das Tabakpflanzen und die Ernte erfolgen in
mühsamer Handarbeit, beim Pflücken aufgenommenes Nikotin und
Pestizide ruinieren die Gesundheit der Plantagenarbeiter. Die
Arbeitsverträge sind eine Farce, sie bieten keinerlei Sicherheiten
und treiben Farmer in den Schuldenkreislauf.
Deshalb schreibt Transfair dazu in den
FAQ ihrer Internetpräsenz zurecht: „Tabak kann weder aus sozialer
noch aus gesundheitlicher oder ökologischer Sicht als ethisch
vertretbares Produkt bezeichnet werden und kommt deshalb für
Fairtrade grundsätzlich nicht in Frage.“
Für RaucherInnen gibt es damit also
nicht nur kein Bio, es gibt auch kein Fairtrade außer mensch baut
sich den Tabak selbst an. Besiegelt „fair“ rauchen kann
zumindest, wer sich Organic Yuma besorgt. Dieser verfügt über ein
Fairtrade-Siegel, vergeben durch die schweizerische IMO GmbH mit
deutschem Sitz in Konstanz, welche sich allem Eindruck nach eher für
Konsumenten- als für Produzenteninteressen einsetzt.
So wie mich vor allem ökologische
Gründe im Fleischkonsum zügeln, mögen die genannten Fakten
vielleicht ein paar RaucherInnen, die die gesundheitlichen Risiken
bisher nicht vom Rauchen abhalten konnten, überzeugen und zum Leben
ohne Kippe bewegen.
Hoffnungsvoll, Carsten Beneker